GESCHICHTE DES GEBÄUDES KIRCHSTRASSE 2



1723 wird das Haus mit Nebengebäuden ein Raub der Flammen. Durch „Verwahrlosung einer Weibsperson“ bricht in der Kirchstraße ein Feuer aus, durch welches in der Folge die halbe Stadt, insgesamt 105 Häuser, eingeäschert werden.


1725 erfolgt der Wiederaufbau des noch heute bestehenden Gebäudes. Der straßenseitige Gewölbekeller stammt noch vom Vorgängerbau vor 1723.


1757 vom 22. bis 24. Oktober weilt Preußenkönig Friedrich der Große im Schloss Grochwitz vor den Toren der Stadt Herzberg. Für das Aufbringen von Proviant für die ihn begleitenden Soldaten sucht er im Stadtzentrum von Herzberg mehrere Höfe auf.


1784 gehört das Gebäude dem Bürger Johann Ernst Caspar, welcher bei einer Viehzählung im Jahre 1787 auf seiner Wirtschaft vier Kühe und zwei Schweine hält. Herr Johann Ernst Caspar ist 1790 Senator, 1792 Kämmerer und von 1800 bis 1813 Bürgermeister der Stadt Herzberg.


1813 im September während der Befreiungskriege gegen Napoleon Hauptquartier des Generalstabs des IV. preußischen Armeecorps in Herzberg. Mehrere Unterredungen des Generals von Tauentzien mit Bürgermeister Caspar im Gebäude Kirchstraße 2.


1814 beschäftigt Johann Ernst Caspar in seinem Haus einen Knecht und zwei Mägde. Zugleich ist er auch Besitzer des Doppelhauses 273a und 273b an der Ecke zur Torgauer Straße (heute Torgauer Straße 1). Kurz danach übernimmt sein Sohn Carl Gottlieb Caspar das väterliche Geschäft und Grundstück. Von 1828 bis 1832 und von 1840 bis 1844 ist auch er als Senator für die Stadt tätig. Carl Gottlieb Caspar ist der wesentliche Bearbeiter und Herausgeber der von Johann Christian Schulze ursprünglich verfassten Chronik der Stadt Herzberg, welche 1842 gedruckt und herausgebracht wird.


1837 nimmt die Sparkasse des Schweinitzer Kreises, eine direkte Vorgängerin der heutigen Sparkasse Elbe-Elster, in der Kirchstraße 2 ihren Geschäftsbetrieb auf. Bis Mitte Januar 1839 werden durch den ersten Rendanten der Sparkasse, Kaufmann Caspar, Kunden in den Räumen des Hauses empfangen. Die Sparkasse des Schweinitzer Kreises ist die erste kommunale Kreissparkasse auf dem Gebiet der heutigen Bundesländer Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.


1844 wird im Schweinitzer Kreisblatt unter kirchliche Nachrichten mitgeteilt, dass am 5. Dezember Herr Carl Gottlieb Caspar, brauberechtigter Bürger, Senator, Kaufmann und Handelsherr im Alter von 59 Jahren, 6 Monaten und 18 Tagen gestorben ist.


1845 im März wird im Kreisblatt angezeigt, dass bei Herrn Caspar die letzten Vorräte wie Schlösser, Glocken, Feilen, Schrot, Farben und Spiegel usw. noch zu haben sind, da das Geschäft zu Ostern geschlossen werden soll.


1847 Mitte November die Anzeige, dass Herr Caspar (vielleicht Sohn oder sonstiger Verwandter) sein Großerbenhaus Nr. 271 sowie die am Steinweg gelegene Scheune verkaufen will. Im Januar 1850 gibt es auch einen Ackerbürger Carl Caspar, der Mitte des Jahres sein in der Kirchstraße gelegenes Großerbenhaus verkaufen will. Da bei dieser Anzeige keine Hausnummer genannt wird, ist hier nicht klar, ob nochmals das Haus Nr. 271 gemeint ist oder das Eckhaus Nr. 273, welches bis dahin noch im Besitz des Herrn Caspar gewesen sein könnte.


1862 Mitte März wird Konkurs über das Vermögen eines Handelsmannes Philipp Caspar zu Herzberg angemeldet, aber ohne jegliche Angabe von Straße und Nummer. Somit kann nicht angegeben werden, wie lange das Grundstück noch der Familie Caspar gehörte und wer die nächsten Besitzer sind.


1871 in der Rezessions-Akte ist es das Großerbenhaus von Moritz Moebius, jetzt Ferdinand Zschimmer. Möglich ist, dass dieser Moebius das Grundstück 1847 erworben hat, es später an den Ferdinand Zschimmer weiterverkaufte und dieser dann das Haus 1871/72 an den Sattler- und Tapezierermeister Wilhelm Herrmann verkauft.


1872 im November erscheint die Anzeige im Kreisblatt: „Das Sattler- und Tapezier-Geschäft des verstorbenen Herrn Wilhelm Herrmann wird von dessen Witwe und ihrem Bruder, Herrn Julius Kriebisch fortgeführt.“


1874 Anfang Januar die Mitteilung, dass Herr Julius Kriebisch, Sattlermeister, vormals Wilhelm Herrmann, das Sattlergeschäft von seiner Schwester übernommen hat. Danach, bis in die 1920er Jahre gibt es viele Anzeigen im Schweinitzer Kreisblatt von dem Sattler- und Polstergeschäft Julius Kriebisch.


1919 und noch 1923 wird ein Richard Kriebisch genannt und am 17. März 1928 die Anzeige unter Zwangsversteigerung: „Das auf der Witwe Franziska Kriebisch, geb. Vogel, eingetragene Grundstück, Kirchstraße 2, mit bebautem Hof soll versteigert werden.“ Diese Versteigerung wird am 7. Mai durch Zurückziehung des Antrages aufgehoben.


1927 im Adressenverzeichnis wird neben der Besitzerin Franziska Kriebisch als Mitbewohner der Steuerbeamte Wilhelm Lätzsch, der Töpfermeister Otto Reich und die Rentnerin Charlotte Ratzsch angegeben. Ende der 1920er Jahre / Anfang der 1930er Jahre muss die Witwe Kriebisch das Grundstück dann verkauft haben.


1936 im Adressbuch wird als Eigentümer der Tapezierermeister Karl Prinz genannt. Mieter im Haus ist der Malermeister Walter Fleck. Das Leder- und Polsterwaren-, Teppich- und Gardinengeschäft von Herrn Karl Prinz besteht bis in die 1940er Jahre.


1945 wird die Polsterwerkstatt auf dem Hof von einem Herrn Manfred Zobel für einige Jahre gepachtet, danach ist er in der Torgauer Straße 27. Außerdem befindet sich zur gleichen Zeit auf dem Hof eine kleine Reparaturwerkstatt für Schreibmaschinen des Herrn Schemmel und der Sohn des Tapezierermeisters, Axel Prinz, repariert hier elektrische Maschinen des Handels (z.B. Kaffee-, Spül- oder Waschmaschinen von Gaststätten) bis in die 1970er Jahre, dann verzieht er nach Krauschwitz.


1947 etwa ist für kurze Zeit in den Geschäftsräumen eine Volksbuchhandlung.


1955 stellt Frau Emi (?) Prasse, als Eigentümerin, einen Bauantrag zum Einbau einer Schaufensteranlage für ein HO-Sportartikelgeschäft.


1970 bis 1990 ist im Haus das HO-Geschäft für Fotoartikel mit einem Labor auf dem Hof.


1992 kauft der Elektromeister Rolf Fabienke das Grundstück, lässt das Haus 1992/93 mit Fördermitteln für etwa 800.000 Deutsche Mark sanieren und den Laden zu einem großen Elektroartikelgeschäft umbauen. Anschließend werden einige Räume des großen Hauses vermietet und in der oberen Etage wohnen die Söhne des Rolf Fabienke mit ihren Familien.


1993 am 20. Juli wird das Gebäude wegen seiner städtebaulichen Bedeutung als Einzeldenkmal in das entsprechende brandenburgische Landesverzeichnis aufgenommen.


2009 wird das Grundstück Kirchstraße 2 samt den darauf befindlichen Gebäuden den Eheleuten Voigt zum Kauf angeboten. Erst im September 2010 erwerben sie es nach vielen bürokratischen Hürden mit der Zahlung des Kaufpreises endgültig.


2011 im März endet nach nur 3 Monaten eine zweite Kernsanierung des Gebäudes. Das Gebäude erhält eine Zentralheizungsanlage, eine überwiegend neue Sanitärinstallation und eine umfassende Erweiterung der Elektrik. Im März des Jahres zieht die Familie Voigt in ihr neues Zuhause im sanierten Obergeschoss ein. In den folgenden Jahren werden alle Mieteinheiten saniert.


2016 im Mai nach Abriss des baufälligen Hintergebäudes Einweihung des neu gestalteten Hofes.

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